von Johanna Lessing
Ein Praxisjahr im medizinhistorischen Museum – und ausgerechnet dann: Pandemie. „Sind wir da nicht zuständig?“, fragte sich das Team des Deutschen Medizinhistorischen Museums Ingolstadt, in dem ich von Oktober 2019 bis Dezember 2020 im Rahmen des Kollegprogramms Wissen | Ausstellen mitarbeitete. Selten war das mediale Interesse an seuchenhistorischen Objekten größer. Gleichzeitig versprach der Blick in Geschichte und Gegenwart pandemischer Dinge neue Perspektiven in beide Richtungen.
Und dann kam Ende Mai 2020 die Tonne ans Haus. Sie stand aufgrund ihrer Größe direkt neben meinem Arbeitsplatz, unübersehbar blau-orange und mit verschiedenen Schildern beklebt. Sofort stand fest: Das Ding ist grell, ungewöhnlich und für einen lokalen und medizinhistorisch zugespitzten Fokus auf den ersten Lockdown perfekt.
Die ehemalige Papiertonne hatte mehrere Wochen auf dem Rathausplatz gestanden und als Sammeltonne für selbstgenähte Mundnasenschutze gedient. Als „20/003“ zog sie in die Sammlung ein. Als Protagonistin verbindet sie ein ganzes Netz aus Personen, Ämtern, Organisationen rund um die Beseitigung des Mangels an medizinischen Schutzmasken im Frühjahr 2020 in Ingolstadt.
Nachdem die Tonne also bis zu meinem Schreibtisch gekommen war, zentrierte sich meine Arbeit in den folgenden Monaten um das Plastik-Ungetüm. Gemeinsam mit meiner Kollegin Greta Butuci (wissenschaftliche Volontärin am DMM Ingolstadt) kuratierten wir eine Ausstellung zum lokalen Umgang mit der Pandemie in Ingolstadt. Die Pandemie hat sich dabei aktiv in die museologisch-historische wie die museumspraktische Arbeit eingeschrieben. Zumindest für die Ausstellung „Die Ingolstädter Maskentonne“ muss sie als Akteur ihrer Entstehung und Entwicklung mitberücksichtigt werden.
Die Ingolstädter Maskentonne. Eine Corona-Ausstellung mit medizinhistorischen Bezügen 10.12.2020-16.05.2021, Deutsches Medizinhistorisches Museum Ingolstadt
Noch ist unklar, wann die Ausstellung besucht werden kann. Wie es ist, mitten in der Pandemie eine Ausstellung zu machen und was man daraus vielleicht für zukünftiges Kuratieren mitnehmen kann, darüber haben Greta Butuci und ich mit dem Kulturkanal Ingolstadt gesprochen: Hier geht’s zum Podcast (23 min)
Johanna Lessing ist Doktorandin am Kolleg “ Wissen|Ausstellen „. In ihrer Dissertation forscht sie zur Ausstellbarkeit von menschlichen Überresten in wissenschaftlichen Sammlungen. Während ihres Praxisjahres am Medizinhistorischen Museum Ingolstadt kuratierte sie zusammen mit ihrer Kollegin Greta Butuci die Sonderausstellung „Die Ingolstädter Maskentonne. Eine Corona-Ausstellung mit medizinhistorischen Bezügen„.
Der Beitrag wurde redaktionell betreut von Ramona Bechauf, Doktorandin am Kolleg „Wissen | Ausstellen“.
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